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Internationale Bonhoeffer-Tage in Stettin am 16. und 17. Juni 2018

 

Mitglieder mit Begegbungstagung versammlung vom 23.-25.11. in der Versöhnungskirche in Travemünde

 

6. Studientag der AG für pommersche Kirchengeschichte:

„Pomerania non cantat?“ – Pommern singt nicht?

 

 

Ostern in Pommern – Imperssionen aus dem Jahr 1986

Als ich den Artikel von dem Jubileum in Groß Garde laß, musste ich daran denken, dass ich Karfreitag 1986 zum 1. Mal in dieser liebenswerten Gemeinde zu Gast war. Damals noch im Wohnzimmer der Familie Klara Kiepper, wo es richtig schön warm war und wo wir im Anschluß an den Gottesdienst eine kleine Stärkung bekamen. Die damals noch kleinen Kinder der Familie saßen still mit ihren Malbüchern im Nebenraum.

 

Die ersten Westdeutschen fuhren zu Beginn der Siebziger Jahre nach Hinterpommern, schon bald waren auch Privatreisen möglich, auch im Kriegsrecht 1982. Damals musste man sich in Grenzgebiet binnen 12 Stunden bei der Polizei melden. Nie wieder hatten wir solche Probleme, Geld auszugeben – für den hohen Zwangsumtausch gab es einfach zu wenig Waren.

 

Auch 1986 war es noch ein Abenteuer, mit einer größeren Gruppe Westdeutscher nach Polen zu fahren, ganz privat, ohne polnische Reiseleitung. Selbst unser Reisebus wurde von einem Mitglied der Reisegrupe gefahren. (Obwohl natürlich auch die Geheimpolizei schon in unserem Quartier Stellung bezogen hatte: wie wir später erfuhren, mussten die Wirtsleute kurzfristig eine Köchin neu einstellen). Damals wollte meine Mutter aufgrund der gesundheitlichen Risiken keine Reisende über 70 (?) mitnehmen, heute würden bei dieser Vorgabe die Reisebuse in die alte Heimat leer bleiben.

 

1986 gab es in Polen noch wenig zu kaufen, daher stapelten sich in den Wochen vor der Abreise die in Bananenkartons verpackten Spenden im Flur der Familie Scheller, am Ende konnten wir froh sein, einen Weg vom Bad ins Bett zu finden. (Zum Glück kam wenige Jahre später die Wende und die Sachspenden wurden allmählich durch Geldspenden abgelöst. Aber noch 1991 musste Frau Stolarska aus Köslin bei ihrem Besuch bei uns viele Kartons für Hinterpommern packen. Auf dem Wochenmarkt waren meine Eltern als die bekannt, die nach Marktschluss die Bananenkartons einsammelten). Vermutlich musste auch jeder Reiseteilnehmer seinen Zehn-Tages-Vorrat an Kaffee und Tee mitbringen, der dann in der Küche gelagert wurde.

 

Am Ende wollten nur 16 mutige Abenteurer mit auf die Reise gehen, so dass auch auf den Rückbänken noch genug Platz für das Gepäck war. Wie üblich waren die polnischen Zöllner ganz pragmatisch bei der Kontrolle, einführen durfte man fast alles nach Polen, nur bei der Ausreise habe ich bei all den Reisen vor der Wende auch mal strenge Kontrollen erlebt. (Da war einmal eine Zöllnerin ganz enttäuscht, dass sich in der Jackentasche meiner Mutter statt der erwarteten Bernsteinkette nur eine Rolle Drops befand).

 

Auf der Rückfahrt war der Bus dann halb leer und wir hatten zu unserem Schutz den Stolper Pastor Mrorwiec dabei, der gerne die Gelegenheit nutzte, seinen Sohn in Göttingen zu besuchen. Meine Mutter hatte im Vorfeld allen eingeschärft sich auch ja an die Zollbestimmungen zu halten. Die Seniorin der Gruppe schmuggelte dennoch eine Bernsteinkette nach Deutschland, die aber nicht entdeckt wurde. Über ihre Aussage, dass die Zöllner die Kette schon nicht gefunden hätten, weil der Koffer abgeschlossen war, konnten wir damsls nicht lachen.

 

An alle Einzelheiten der Reise kann ich mich nicht mehr erinnern, viele der damaligen Teilnehmer sind inzwischen verstorben oder zu alt, um meine Fragen zu beantworten. Eines weis ich aber noch genau, eine Erholungsreise war es nicht, denn wir besuchten in der Osterwoche alle 9 Gemeinden des Stolper Pastors – die Aufteilung im Köslin / Stolp erfolgte erst Mitte der 90ziger Jahre. Für die Pastoren ergaben sich dadurch wesentlich kürzere Fahrtzeiten in die Filialen. Erst jetzt wuchsen deutsche und polnische Lutheraner zusammen.

 

Unser Quartier lag in Kleinmöllen, einem Ort an der Ostsee, westlich von Großmöllen. Um die Osterzeit war es kein Problem, eine Unterkunft zu finden, weil Polen damals nur im Sommer an der Küste Urlaub machten. Zudem gab es mehr Privatinitiativen als in den benachbarten sozialistischen Ländern. Zimmer mit Bad und Dusche gab es in diesen (teil)privat vermieteten Unterkünften noch lange Jahre nicht. Was wohl aus diesen Häusern geworden ist, die so gar nicht dem heutigen Standard entsprechen?

 

Mit der Kösliner Gemeinde trafen wir uns in unserem Quartier, um zusammen Haferflockenplätzchen zu backen und im Anschluß eine Bibekstunde abzuhalten. Die Gemeindeälteste Edith Stolarska war so begeistert von dem Rezept, dass sie noch 20 Jahre später ihre westlichen Besucher damit bewirtete. An einem Nachmittag besuchten wir die Mitglieder der Kösliner Gemeinde zu Hause – jedem Bugenhagenfahrer wurde eine Familie zugeteilt. Daraus ergaben sich Freundschaften zwischen Ost und West, die über viele Jahre anhielten und meist erst mit Tod oder Krankheit der Beteiligten endeten. Für diejenigen, die zum ersten Mal in Polen waren, sicher ein echter Kulturschock, mit der Realität des polnischen Lebens nach dem Kriegsrecht. Und ein Einblick in das schwere Schicksal der Frauen der Gemeinde in den Nachkriegsjahren. Für meinen Bruder und mich war es jedoch Normalität. (1984 kam uns das Leben in der DDR nach 5 Wochen in Polen sehr „reich“ war, als wir auf der Rückfahrt noch ein paar Tage bei Verwandten in der DDR blieben.)

 

Weil wir offiziell als Chor fungierten, trafen wir uns auch mit einem polnischen Chor, um an einem Abend gemeinsam zu musizieren. Der Name Bugenhagenchor war mit Bedacht gewählt worden, weil es keine Kirchenlieder von Johannes Bugenhagen gibt, die wir hätten vortragen können. Die altvertrauten Verse aus dem Gesangbuch konnten aber zumindest die älteren der Teilnehmer kraftvoll mitsingen. Damals wurde in den Gemeinden noch das alte pommersche Gesangbuch von 1931 benutzt, das den meisten Reiseteilnehmern noch aus ihrer Kindheit vertraut war. Da diese in Pommern jedoch stets mit in den Sarg gegeben wurden, war dann nach 1990 der vom Pommernkonvent mitfinanzierte Umstieg auf die neuen Gesangsbücher unvermeidlich.

 

Von den speziellen polnischen Osterbräuchen bekamen wir auf dieser Reise zu meinem Bedauern nicht viel mit, nur auf unseren Fahrten in die Gemeinden konnten wir die Kirchgänger beobachten.

 

Für die Mitgliederwerbung des Pommernkonvets war diese Reise ein großer Erfolg, der so in späteren Jahren nicht wiederholt werden konnte.

 

Mechthild Scheller